Korrektur
Gemäß der Etymologie des Begriffs (lat. corrigere: richtig stellen, berichtigen) bedeutet Korrektur im strengen Wortsinn, dem auch die textgenetische Terminologie folgt, die Beseitigung eines Textfehlers. Korrektur und Variantenbildung müssen – trotz erheblicher Abgrenzungsprobleme (s. u.) – voneinander unterschieden werden. Die mit einer Korrektur ausgelöste Textbewegung verläuft von falsch –> richtig, wohingegen die Bildung einer Variante mit einer Textbewegung von richtig –> richtig verbunden ist. Eine Korrektur setzt demnach immer einen Textfehler voraus, während eine Variantenbildung eine konzeptionelle Neu- bzw. Umformulierung einer bereits tragfähigen Texteinheit darstellt.
In seinem Brief vom 20. Februar 1823 an den Leipziger Verleger C. F. Peters gebraucht Beethoven das Verb corrigiren im genannten, engen Wortsinn: „wegen vielem corrigirten in dem erhaltenen [Stichvorlagenmanuskript, das u. a. die Märsche WoO 18, 19 und 20 enthält] müssen sie schon verzeihn, mein alter Copist sieht nicht mehr, u. der jüngere muß erst abgerichtet werden“ (BGA 1575). Im Briefzitat bezieht sich corrigiren auf Beethovens Berichtigung von Abschreibfehlern, die ein Kopist verursacht hat.
Während in einer abhängigen abschriftlichen Quelle eine z. B. vom Komponisten selbst ausgeführte Korrektur sicher als solche bestimmt werden kann, wenn der vom Kopisten verursachte Textfehler anhand eines Vergleichs von Kopiervorlage und Abschrift feststellbar ist, sind in vorlagefreien Arbeitsmanuskripten Korrekturmaßnahmen und Variantenbildungen des Komponisten nicht immer sicher voneinander zu unterscheiden: Werden einzelne kleine Notationselemente autograph getilgt und ggfs. durch andere ersetzt, lässt sich nicht sagen, ob eine Fehlerberichtigung (Korrektur) oder eine textliche Umentscheidung (Variante) vorliegt. In autorisierten Werkstatthandschriften ist die textgenetische Darstellung daher gezwungen, alle vom Komponisten selbst vorgenommenen Änderungsmaßnahmen immer dann als Varianten aufzufassen, wenn als deren Auslöser kein Textfehler nachgewiesen werden kann.
Vgl. hierzu: Nutt-Kofoth 2013, S. 121.
RS, BRA
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