Leitstimme

Zumeist einstimmiger Verlauf, der die motivisch-thematischen Elemente, den „Handlungsfaden“ der Komposition enthält. Die Leitstimme wurde von Beethoven meist in Skizzen erarbeitet und in die Partitur abgeschrieben.

Bei ihrer Niederschrift in der autographen Partitur weist Beethoven die Leitstimme den verschiedenen Instrumenten zu, wodurch sie durch die Stimmen „wandert“. Anschließend werden die Bassstimme (sofern die Leitstimme nicht schon Teil des Basses ist) sowie Begleit- und Füllstimmen hinzugefügt. Da die Leitstimme implizit den Harmonieverlauf enthält, wird die Ausarbeitung der anderen Stimmen durch ihren Verlauf beeinflusst. Oft notiert Beethoven die Leitstimme vor der Vervollständigung der Partitur nicht für den ganzen Satz, sondern arbeitet abschnittsweise, wobei er sich an syntaktischen Einheiten (z. B. Formabschnitten wie Hauptsatz, Exposition etc.) orientiert.
Beethovens Arbeitsweise nach dem Leitstimmenprinzip lässt sich z. B. durch den zufälligen Wechsel der Tintenfarbe zwischen zeitlich versetzten Arbeitsgängen (Niederschrift der Leitstimme und Ausarbeitung der anderen Stimmen) oder den Vergleich mit einer weiteren Handschrift, die eine andere Textstufe enthält, erkennen. So können Skizzen, in denen Beethoven die Leitstimme zuvor entworfen und von denen er sie in die autographe Partitur abgeschrieben hat, zur Bestätigung herangezogen werden. Auch bei Adhoc-Varianten, die vor der vollständigen Ausarbeitung der Partitur abgebrochen wurden, ist mitunter die Leitstimme erkennbar. Zudem kann das Leitstimmenprinzip in unvollendet gebliebenen Werkniederschriften (in der angloamerikanischen Forschung als „skeleton score“ bezeichnet) oft klar und über größere Abschnitte hinweg verfolgt werden.
Das beschriebene Kompositionsprinzip ist nicht auf Beethoven beschränkt, sondern wurde z. B. auch als gängige Arbeitsweise von Robert Schumann, Franz Schubert und W. A. Mozart nachgewiesen.

SC, FR
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