Streichquartett in Es-Dur op. 127

Datierung/Entstehung

Beethoven komponierte sein Streichquartett in Es-Dur op. 127 in Wien zwischen Mai 1824 und Januar 1825. Es ist das erste der drei für den russischen Fürsten Nikolaus Galitzin geschriebenen Quartette (Opp. 127, 132, 130). 

Nach der Veröffentlichung seines Quartetts Op. 95 (1816) erhielt Beethoven von mehreren Verlegern Anfragen nach kammermusikalischen Werken, u.a. von George Thomson (BGA 1262), Schlesinger (BGA 1388, 1391), Peters (BGA 1465), Pacini (BGA 1472) und Schlesingers Sohn Maurice aus Paris (BGA 1476). Nur dem Leipziger Verleger Peters gegenüber machte Beethoven im Juni 1822 ein Angebot für „ein quartett für 2 Violinen Bratsch und Violonschell für fünzig Dukaten“, welches der Verlag bald erhalten könne (BGA 1468). Jedoch gibt es keine Belege, die Beethovens Auseinandersetzung mit Streichquartetten zu dieser Zeit belegen würden.[1]

Im November 1822 erhielt der Komponist schließlich ein Angebot des Fürsten Nikolaus Galitzin aus Sankt Petersburg (Offizier und ausgezeichneter Cellist und Quartettspieler), „un, deux ou trois Nouveaux Quatuors“ für den privaten Gebrauch und mit einem vom Komponisten selbst festzustellenden Honorar zu komponieren (BGA 1508). Beethoven sagte zu und teilte dem Fürsten am 25. Januar 1823 mit, dass er ein erstes Quartett Ende Februar oder Mitte März 1823 haben könnte (BGA 1535). Auch für diese Zeit sind allerdings außer einem Entwurf in Es-Dur auf der ersten Seite des Engelmann-Skizzenbuchs [2]; („quartett / un poco maestoso – allo“ bezeichnet und zwischen Herbst 1822 und Februar 1823 zu datieren) keine weiteren Skizzen bekannt, die Beethovens ernsthafte Beschäftigung mit diesem Quartett belegen würden.

Erst im Frühjahr 1824, nach Vollendung und Erstaufführung der 9. Symphonie, widmete sich Beethoven konkret der Komposition des Streichquartetts, wie die Korrespondenz und die Datierung der überlieferten Werkstatthandschriften zeigen[3].

Zum Streichquartett in Es-Dur op. 127 sind zahlreiche Skizzen, eine bedeutende Zahl von Partiturskizzen[4] sowie die vollständige (heute an verschiedenen Orten aufbewahrte) Partitur und eine als Stichvorlage benutzte überprüfte Abschrift von Ferdinand Wolanek überliefert.

Obwohl Beethoven schon fast ein Jahr zuvor, am 26. Mai 1824, dem Fürsten Galitzin angekündigt hatte, „ihr ihnen so lange versprochenes quartett werden sie bald erhalten vieleicht auch die andern“ (BGA 1841), wurde erst im März 1825 eine Stimmenabschrift nach Sankt Petersburg geschickt (BGA 1962)[5]. Die Komposition war offensichtlich Ende Januar noch nicht fertig: Eine für den 23. Januar 1825 geplante Erstaufführung musste abgesagt werden, da die Partitur noch nicht abgeschlossen war. 

Erste Aufführungen

Die erste öffentliche Aufführung des Streichquartetts op. 127 fand in Wien am 6. März 1825 durch das Schuppanzigh-Quartett (Ignaz Schuppanzigh, Karl Holz, Franz Weiß und Joseph Linke) statt. Die Uraufführung des Werks, das heute als „Beethoven’s crowning monument to lyricism[6]“ gilt, war bekanntlich ein Fiasko.[7]

In den historischen Quellen wird der Misserfolg der ersten Aufführung auf verschiedene Faktoren zurückgeführt: Einerseits wird die mangelnde Probezeit dafür verantwortlich gemacht, andererseits wird Schuppanzighs Auftritt als derart katastrophal beschrieben, dass Beethoven (der bei der Erstaufführung nicht anwesend war) ihm verbot, das Quartett nochmals öffentlich zu spielen.[8] Joseph Michael Böhm wurde für die weiteren Aufführungen als Primarius eingesetzt.

Exkurs: Die Strategie der doppelten Aufführungen

Das noch nicht im Druck vorliegende Quartett wurde im Laufe des Jahres 1825 in Wien auffällig oft öffentlich aufgeführt: nachweislich mindestens zwölfmal vom Schuppanzigh-, Böhm- und später vom Joseph Mayseders-Quartett. Im Vergleich zu den Aufführungen z. B. von Op. 132 handelt es sich um ungefähr das Doppelte.[9] Die große Anzahl von Aufführungen lässt sich u.a. dadurch erklären, dass für das Streichquartett op. 127 eine neue Konzertstrategie ausprobiert wurde, die das Werk dem Publikum in einer dedizierten, konzentrierten Weise näher bringen sollte: Wohl auf Anregung von Karl Holz, und mit Beethovens Einverständnis, präsentierte Joseph Böhm das Quartett in seinen Konzerten zweimal an einem Abend. Weitere Werke standen dabei nicht auf dem Programm[10]. Der Erfolg wuchs mit jedem Konzert und die Strategie der doppelten Aufführung wurde sowohl von Mayseder als auch für die erste Aufführung des nächsten Streichquartetts op. 132 beibehalten. Die im engen Kontakt mit Beethoven stehenden Musiker – vor allem sein Assistent Karl Holz – waren somit mit dem Quartett schon lange vor seiner Veröffentlichung bestens vertraut. 

Für diese Aufführungen wurden aus der autographen Partitur die Stimmen herausgeschrieben, die noch lange Zeit in Beethovens Besitz geblieben sein dürften. Sie sind heute leider verschollen. Dass diese Stimmen bei den ersten Aufführungen verwendet wurden, wird durch die Korrespondenz mit den Musikern sowie durch Einträge in den Konversationsheften bezeugt.[11]

Drucklegung

Schon im März 1824 hatte Beethoven das Quartett neben der Missa solemnis und der 9. Symphonie dem Verlag Schott aus Mainz für 50 Dukaten angeboten. Doch erst zwischen Mitte April und Anfang Mai 1825 wurde eine Stichvorlage des Quartetts nach Mainz geschickt.[12] Gedruckt wurde das Werk ein Jahr später, im März 1826, zunächst nur in Stimmen.

Beethoven sendet dem Verlag eine vom Kopisten Ferdinand Wolanek geschriebene und von ihm (und Karl Holz, wie seine Handschrift in der Abschrift bestätigt) revidierte Partiturabschrift.[13] Sie ist die einzige Vorlage für die Originalausgabe, die Beethoven geschickt hat.[14] Da allerdings ein Stimmendruck kaum auf Basis einer Partitur erfolgen kann, ließ der Verlag vermutlich eine Stimmenabschrift aus der überprüften Abschrift erstellen. D. h. im Verlag wurden aus der Partiturabschrift von Wolanek Stimmen herausgeschrieben, die von Beethoven nicht mehr revidiert worden sind und die aber als eigentliche Stichvorlage gedient haben werden. Vermutlich handelt es sich bei einer aus dem Schott Archiv jüngst digitalisierten Stimmenabschrift zum Streichquartett op. 127 genau um diese Quelle.[15]

Exkurs: Die Stimmenabschrift aus dem Verlag Schott

Da alle charakteristischen Lesarten[16] der überprüften Partiturabschrift auch in der Stimmenabschrift zu finden sind, ist kaum zu bezweifeln, dass diese Quelle aus der von Beethoven übersandten Handschrift verlagsintern für den Stimmendruck exzerpiert worden ist. 

Dass diese Stimmenabschrift aus der Wolanek-Partiturvorlage abgeschrieben worden ist, wird u. a. auch dadurch belegt, dass nur einer der von Beethoven später angezeigten Fehler sich in der Stimmenabschrift befindet (Monitum 4[17]), der wiederum auch in der überprüften Partiturabschrift vorliegt. 

Belege dafür, dass diese Stimmenabschrift als Stichvorlage für die Originalausgabe der Stimmen benutzt worden ist, sind die mit Rötel eingetragenen Stechervermerke zu Seitenumbruchmarkierungen: Sie korrespondieren mit dem Stimmendruck: 

Abb.1 Verlagsinterne Stichvorlage der Stimmen für das Streichquartett op. 127 (D-Mbs, Mus.Schott.Ha 2207, fol. 2r), Stechervermerke für die erste Violinstimme, mit Ende von S. 1 der Originalausgabe der Violinstimme (unten) korrespondierend. Vgl. auch einige Röteleintragungen (V II, S. 2, Va, S. 1, 22, Vc, S. 1v). 

In der Violoncellostimme sind die Einteilungen zusätzlich mit Bleistift und mit Seitenangabe vermerkt[18], welche ebenfalls mit dem Stimmendruck übereinstimmen:

Abb. 2: D-Mbs, Mus.Schott.Ha 2207, Vc, fol. 5v.

Eine bedeutsame Abweichung zwischen Partiturabschrift und Stimmendruck findet sich in der verlagsinternen Stimmenabschrift: Die schwer erklärbare Bezeichnung des im Druck als „Scherzando. Vivace“ bezeichneten dritten Satzes anstatt von „Scherzo Vivace“ (im Autograph und in der überprüften Abschrift) ist offenbar auf diese Quelle zurückzuführen.[19] Die Bezeichnung erscheint – ebenso wie in der Originalausgabe – in Vl I und Vl II als „Scherzando. Vivace“, und als „Scherzo Vivace“ in der Viola und im Violoncello. Aufgrund dieser Abweichung zwischen Partiturabschrift und Stimmendruck vermutet Platen die Existenz einer verlagsinternen Stichvorlage der Stimmen, was nun durch diese jüngst aufgetauchte Stimmenabschrift bestätigt wird.[20]

Allerdings sind Bogensetzung und Artikulation insgesamt und im Vergleich zur überprüften Abschrift sehr nachlässig ausgeführt worden (siehe als Beispiel den Vergleich in Abb.1). Möglicherweise sind sie erst in den Korrekturfahnen hinzugefügt und korrigiert worden.

Die Herausgabe in Stimmen erfolgte bei Schott parallel in Mainz und in Paris. Der Redakteur der im Schott-Verlag, Mainz, erscheinenden Cäcilia, Gottfried Weber, wies in seiner Besprechung ausdrücklich auf die Pariser Parallelausgabe hin: „In ausgesetzten Stimmen ist das Quartett zweimal gestochen, einmal in der Haupt-Verlagshandlung in Mainz, und einmal eigens für die Filialhandlung in Paris […]“.[21]

Im Juni 1826 folgte in Mainz eine Partiturausgabe und eine vierhändige Bearbeitung von Christian Rummler.[22] Auch für die Drucklegung der Partitur wurde eine verlagsinterne Abschrift handschriftlich hergestellt. [23]

Erst einige Monate später, im September 1826, erhielt Beethoven Belegexemplare des Stimmendrucks. Die Ausgabe war ab dem 5. Mai 1826 in Wien bei Steiner & Comp. käuflich zu haben. Schon Anfang Juni konnte Holz in einer Notiz im Konversationsheft berichten: „Die Exemplare des Quartetts, welche Schott an Steiner schickte, sollten schon seit 14 Tagen vergriffen seyn.“[24]

Revisionsprozess

Nachdem die Galitzin-Stimmenabschrift und die überprüfte Partiturabschrift jeweils im März und im April 1825 verschickt worden waren, blieben die handschriftlichen Aufführungsstimmen und die autographe Partitur Grundlagen für Beethovens Korrekturarbeiten. Ob Beethoven von Schott Korrekturfahnen erhalten hat, ist nicht bekannt, aber eher unwahrscheinlich. Bei anderen bei Schott gedruckten Werken (Opp. 121b, 122, 124, 126 und op. 128) wurde die Korrektur des Stichs auf Wunsch Beethovens an Gottfried Weber übertragen.[25]

Für die Korrektur der letzten Streichquartette spielt Karl Holz eine herausragende Rolle. In seiner doppelten Funktion als zweitem Geiger des Schuppanzigh-Quartetts und als Beethovens Assistent der letzten Jahre, übernimmt er Kopiatur- und Korrekturaufträge für die ersten Aufführungen, sowie für die Herausgabe der Werke. Holz war mit dem Streichquartett op. 127 bestens vertraut. Zum einen hatte er bei allen oben erwähnten öffentlichen Aufführungen im Jahr 1825 die zweite Violine – einmal auch die erste Violine – gespielt; und zum zweiten hatte er vorher die von dem Kopisten Wolanek hergestellte Partiturabschrift mitkorrigiert.

Etwa am 28. Mai und am 25. Juni 1826 machte er Beethoven zweimal auf eine Abweichung zwischen den gedruckten Stimmenausgaben und den in Beethovens Besitz befindlichen geschriebenen Stimmen aufmerksam[26]. Auslöser dieser Bemerkung könnte eine Aufführung des Quartetts gewesen sein, wie folgender Eintrag im Konversationsheft nahelegt: 

„Holz: Ich habe ihn [vermutlich Joseph Mayseder] bey Dembscher getroffen; er spielte dort das erste Galitzinsche Quartett. – In der 2. Stimme. – Haben Sie es bei der Hand? – Ersten und letzten. In den herausgeschriebenen Stimmen war G – In Ihrer Stimme war es so – […]. Die Schott haben es recht, wie es seyn soll; aber in der Stimme, welche Sie haben, steht es anders.“[27]

Offensichtlich beruht die oben erwähnte Bemerkung von Holz auf einem Quellenvergleich zwischen Autograph, Stimmenabschrift und der gedruckten Stimmenausgabe von Op. 127. Ob die Kollation auf einen Korrekturauftrag Beethovens zurückzuführen ist, ist nicht zu ermitteln. 

Sieghard Brandenburg vermutet, dass zwischen Autograph und Partiturabschrift eine zusätzliche, heute verschollene Abschrift der Partitur, „vornehmlich zu Korrekturzwecke“,[28] hergestellt worden sei; Emil Platen sieht allerdings keinen Hinweis darauf und geht davon aus, dass die vom Kopisten Wolanek gefertigte Partiturabschrift unmittelbar auf dem Autograph basiert.[29]

Beleg dafür seien die Rückübertragungen im Autograph, die während des Korrekturprozesses in beiden Quellen – der Wolanekschen Partiturabschrift und im Autograph – parallel notiert worden sind. Dass wiederum solche Rückübertragungen auch in Folge einer Quartettprobe (die nur auf der Basis von Stimmen erfolgen kann) überhaupt entstehen können, ist aus der Revision einer Stimmenabschrift für Op. 130 durch Karl Holz nach einer Quartettprobe zu entnehmen: „Es haben sich neue Fehler angezeigt. – Sie sind blos [sic] angezeigt, damit auch die Partitur hiernach kann corrigirt werden. – Meistens übersehene Auflösungszeichen“.[30]

Inwieweit das heute verschollene handschriftliche Aufführungsmaterial zu Op. 127 im Revisionsprozess involviert gewesen sein könnte, ist nicht zu ermitteln. Im Kontext der Korrektur der anderen späten Quartette spielt das aber eine wichtige Rolle, wie z. B aus folgendem Eintrag Holz‘ deutlich wird: „Wann wird die Abschrift fertig seyn? [es geht um eine Stimmenabschrift des Streichquartetts op. 130, die für Ignaz Schuppanzigh für die erste öffentliche Aufführung des Werks abgeschrieben werden sollte.] – Ich glaube, das [die Korrektur] sollen Sie mir überlassen; stecken noch Fehler darin, so kann man sie bey den Proben herausputzen.“[31]

Im Januar 1827 verfassten Karl Holz und Anton Schindler ein Fehlerverzeichnis, das von Beethoven unterzeichnet und am 27. Januar 1827 dem Verlag Schott geschickt worden ist.[32] Die Liste betrifft sowohl Fehler in der 9. Symphonie als auch im Streichquartett op. 127. Sie wurde von Karl Holz angefangen (Monita zu Op. 125) und von Schindler fortgesetzt (Monita zu Op. 127). 

Hinweise auf diese Revisionsarbeiten sind in den Konversationsheften zu finden, wie z. B.: 

„Holz: 2 Stimmen von letzten Stücke schreibe ich noch [vermutlich zu Op. 131] – Dann ist alles gleich durchgesehen. – Soll ich an Schott schreiben? – Ich werde übermorgen kommen.“ […] „Oder ich zeige die Seite und den Takt an. – Wird es gleich so fortgeschickt?“[33]

Aus einem Entwurf für den Brief wird außerdem deutlich, dass die Liste von Schindler fortgesetzt wird:

 „Schindler: „ich glaube Sie sagen: in dem 3ten Stück kommt nach dem Presto 3/4 Takt ein a tempo 3/4 – in diesem ist es der 17. Tackt, II. Violin. – im Quartett in Es.“.[34]

Die angemahnten Fehler zu beiden Werken (Opp. 125 und 127) wurden schließlich in der Zeitschrift Cäcilia (Intelligenzblatt Nr. 24, April 1827) von Gottfried Weber bekannt gegeben, aber in der Folge nicht in den Druckausgaben beseitigt. 

Ausgangs- und Zieldokument 

Ausgangsdokumente für die Revision sind die beiden Originalausgaben der Stimmen (Mainzer und Pariser Ausgabe) und die Originalausgabe der Partitur, die Holz mutmaßlich mit den in Beethovens Besitz befindlichen herausgeschriebenen Stimmen und mit dem Partiturautograph verglichen hat. 

Ein handschriftliches oder gedrucktes Zieldokument erschien zu Beethovens Lebzeiten nicht: Der Zieltext ergibt sich im Fall von Op. 127 aus der Kollation der einschlägigen Quellen. 

Revisionsdokumente

Die beiden überlieferten Revisionsdokumente zum Streichquartett Es-Dur, Op. 127 sind inhaltlich identisch: Es handelt sich a) um eine von Karl Holz und Anton Schindler hergestellte Fehlerliste, die von Beethoven selbst unterzeichnet und damit als autorisiertes Dokument ausgewiesen ist (Revisionsdokument A). 

Darauf basiert b) das zweite Revisionsdokument, eine redaktionell überarbeitete Fassung von Gottfried Weber, die in der Zeitschrift Cäcilia veröffentlich worden ist (Revisionsdokument A1). 

Revisionsdokument A

Das Revisionsdokument A enthält Bleistiftnotate von Webers Hand, die seine redaktionelle Bearbeitung bezeugen. Die autorisierte Liste umfasst sechs Monita, die alle die primäre Notation betreffen. Diese erfassen jedoch nicht alle in den genannten Originalausgaben anzutreffenden Defizite, sondern nur einen kleinen Teil der zahlreichen Abweichungen zwischen den überlieferten Quellen. Es stellt sich die Frage, ob die von Holz erarbeitete und von Beethoven autorisierte Liste lediglich schwerwiegende Fehler verzeichnet (falsche Töne und fehlende Notenwerte) und alle anderen „leichteren“ Defizite und Widersprüche bewusst auslässt, oder ob die Liste nur nachlässig erstellt und überprüft worden ist. 

Dass die Liste möglicherweise nur auf Karl Holz zurückzuführen ist, zeigt u.a. auch die Tatsache, dass die sechs Monita nur Violine I und II betreffen (die von Holz bedienten Quartettstimmen), und vier davon die Violine II (Holz‘ angestammter Streichquartettpart). 

Die Auflistung zeigt, dass die Kollation stimmenweise verlaufen ist:

Monitum 2Vl III. Satz
Monitum 3Vl IIV. Satz
Monitum 4Vl III. Satz
Monitum 5Vl III. Satz
Monitum 6Vl IIII. Satz

Revisionsdokument A1

A1 basiert auf A. Dieses zweite Revisionsdokument ist eine redaktionell überarbeitete Fassung von Gottfried Weber, die in der Cäcilia veröffentlicht worden ist. 

Das in der Zeitschrift veröffentlichte Fehlerverzeichnis ist als bearbeitete Kopie der von Beethoven autorisierten Liste zu verstehen. Die gedruckte Liste ist überlieferungs- und rezeptionsgeschichtlich aus mehreren Gründen bedeutsam: Sie ermöglichte den zeitgenössischen Käufern der fehlerhaften Mainzer und Pariser Stimmenausgaben sowie der Mainzer Partiturausgabe handschriftliche Korrekturen in ihren privaten Exemplaren selbst einzutragen und mithin Beethovens „Fassung letzter Hand“ quasi in Eigenleistung zu erstellen. Zum anderen besagt die in der hauseigenen Musikzeitung veröffentlichte, also offiziell im Intelligenzblatt (und nicht im Artikel-Teil der Zeitschrift) mitgeteilte Verlagsanzeige auf implizite Weise, dass Schott nicht daran dachte, eine korrigierte Nachauflage des Werkes herauszugeben. Zweifellos ist das von Beethoven autorisierte und mit seiner Billigung veröffentlichte Fehlerverzeichnis Bestandteil des Werktextes. 

Quellen

Literatur

Elisa Novara


[1] Sieghard Brandenburg, ‘Die Quellen zur Entstehungsgeschichte von Beethovens Streichquartett Es-dur Op. 127’, Beethoven-Jahrbuch, X (1983), 221–76, S. 233. Brandenburg untersucht und datiert in dieser grundlegenden Studie sämtliche zur Entstehungsgeschichte von Op. 127 gehörenden Briefe und musikalische Werkstatthandschriften. Einige der zahlreich zum Streichquartett in Es-Dur überlieferten Skizzen wurden von Gustav Nottebohm beschrieben und transkribiert, besonders das ursprünglich von Beethoven als La gaieté beschriebene Stück, das eine wichtige Rolle bei der Gestaltung des langsamen Satzes des Werkes spielen wird: Gustav Nottebohm, Skizzen zum zweiten Satz des Quartetts Op. 127,ursprünglich in Musikalisches Wochenblatt, 7. Jg., Nr. 43 und 44 (1876), S. 561–564 und 577–579 gedruckt; in der Zweiten Beethoveniana (Leipzig 1887, S. 210–220) leicht verändert wieder aufgenommen. Vgl. dazu auch die neueren Abhandlungen von Barry Cooper, The Role of Beethoven’s ‘la gaiete’ Movement in the Creation of his Quartet Op. 127, in Nineteenth-Century Music Review, Vol. 1 (Juni 2014), S. 33–55 und von Francesco Fontanelli, Progettare la formaGli schizzi per il Quartetto op. 127 di Beethoven, in Il Saggiatore musicale, XXVII/1, S. 75–115.

[2] D-BNba, HCB Mh 60, S. 1.

[3] Die frühesten Skizzen sind auf Mai / Juni 1824 zu datieren. Die autographe Partitur wurde laut Beethovens eigenhändigem Vermerk „geschrieben 1824“ (PL-Kj, Mus. ms. autogr. Beethoven Mend.-Stift. 13). Für die Datierung der Werkstatthandschriften siehe Brandenburg, S. 234f. 

[4] Für Beethovens systematische Benutzung von Partiturskizzen in den letzten Streichquartetten siehe grundsätzlich die Abhandlung von Johnson, Tyson, Winter S. 463f.

[5] Die Korrespondenz mit Galitzin zeigt, dass der Fürst das Quartett öfters mitaufgeführt hat bzw. aufführen ließ (Vgl. dazu die Briefe BGA 1962, 1997). Es kam überdies zu einer Diskussion zwischen den Musikern über eine umstrittene Stelle im Quartett (2. Satz, Va, T. 50). Vgl. dazu Beethovens detaillierte Briefentwürfe, in denen er die fragliche Stelle kommentiert: BGA 1962, 1993, 1997, 2003.

[6] Joseph Kerman, The Beethoven Quartets, New York/London 1979, S. 196. 

[7] Vgl. z. B. den Bericht von Beethovens Neffen Karl in BKh 7, S. 177 („Es geschahen viele Störungen. Erstlich gings nicht recht zusammen, dann sprang dem Schupp[anzigh] eine Seite, was auch viel beytrug, da er nicht einmal eine 2te Violine bey der Hand hatte“), sowie die anonymen Besprechungen des Werks in der Allgemeinen musikalischen Zeitung, Nr. 27, 1825, 13.4.1825, Sp. 246 und in der Wiener Allgemeine Theaterzeitung, Nr.18, 1825, 28.4.1825, S. 212.

[8] Robert Adelson relativiert diese Argumente in seiner Studie über die ersten Aufführungen des Streichquartetts. Möglicherweise betrug die Probezeit weniger als zwei Wochen – ein Zeitraum, der nicht zwingend als zu kurz betrachtet werden müsse. Robert Adelson, Beethoven‘s String Quartet in E Flat Op. 127:A Study of the First Performances, in: Music & Letters, Vol. 79, No. 2 (May 1998), S. 219–243.

[9] Diese Zahlen ergeben sich aus den Konzertprogrammen von Streichquartetten in Wien 1823–1828, vgl. Adelson 1998, Appendix, S. 241–243. 

[10] Vgl. dazu u.a. einen Eintrag in BKh 7, S. 244 von Beethovens Bruder Johann, der am 15. April das Quartett im Hause von Ignaz Dembscher unter der Leitung von Joseph Mayseder gehört hatte und darüber Beethoven in folgender Weise berichtet: „jetz wird Supirt und dann machen Sie es noch einmal“. 

[11] Vgl. z. B. den Brief Beethovens an Ferdinand Piringer vom 13. Mai 1825 (BGA 1968), aus dem ersichtlich wird, dass Joseph Mayseder Beethoven die Aufführungsstimmen zu spät zurückgegeben hat, um sie an Joseph Böhm für weitere Aufführungen weiterzugeben. 

[12] Vgl. BGA 1959. 

[13] D-BNba NE 290. 

[14] Vgl. Platen/2015, S. 43.

[15] D-Mbs, Mus.Schott.Ha 2207: https://www.digitale-sammlungen.de/view/bsb00124587?page=1 (6. April 2022). Die Quelle war möglicherweise bei der Erarbeitung des kritischen Berichts innerhalb der Beethoven Gesamtausgabe nicht verfügbar bzw. noch unbekannt.

[16] Für ihre Auflistung und Beschreibung siehe Platen/2015, S. 42.

[17] Siehe dazu die tabellarische Darstellung der Monita sowie weiter den Abschnitt „Revisionsdokumente“.

[18] Vgl. Fol. 2r, 4v, 5v, 6v, 8r, 9r, 11r, 12v der Cellostimme.

[19] Vgl. in der überprüften Partiturabschrift die Bezeichnung „Scherzo. Vivace“ (https://www.beethoven.de/de/media/view/6385381087903744/scan/55) am Anfang des dritten Satzes. 

[20] Vgl. dazu Platen/2015, S. 43.

[21] Cäcilia, eine Zeitschrift für die musikalische Welt 5/18, S. 239–243.

[22] Cäcilia, (5/29), S. 18. Siehe besonders die Bemerkung über die Studienzwecke der Partitur: „Allen forschenden Künstlern […] glauben wir, durch die Herausgabe der vorliegenden Partitur, eine willkommene Erscheinung zu liefern. Dieselbe ist daher nicht allein allen Harmoniestudierenden, sondern auch allen denen zum Ankauf zu empfehlen, welche das Quartett selbst einzustudieren und wahrhaft gut aufführen wollen“. 

[23] Die verlagsinterne Partiturabschrift wurde von Platen ausführlich beschrieben, ist aber heute nicht mehr verfügbar, da sie 2010 bei Sotheby´s in London verkauft worden ist (Platen, S. 36).

[24] BKh 9, S. 281.

[25] Vgl. Brief Johann van Beethovens an Schott vom 4. Februar 1825, Brandenburg, S. 32.

[26] BKh 9, S. 267 („Haben Sie das Es-Quartett bei der Hand? Ich vermuthe, daß in der gestochenen 2. Stimme ein Fehler sei“), sowie  S. 321.

[27] id., S. 321. 

[28] Brandenburg, S. 27.

[29] Platen, S. 41f.

[30] BKh 9, S. 102f.

[31] BKh 8, S. 273.

[32] BGA 2253.

[33] BKh 11, S. 122 und S. 130.

[34] BKh 11, S. 142.