Abschlussbericht Modul 1: Variantendarstellung in symphonischen, kammermusikalischen und vokalen Werken
Bedeutung und Aufgabe des Moduls im Gesamtprojekt
Beethovens Werkstatt gliedert sich in fünf Module, die in ihren Fragestellungen dem Prinzip wachsender Komplexität folgen: Mit dem zweijährigen Modul 1 wurden zunächst sowohl im Hinblick auf die textgenetischen Konzepte als auch auf deren digitale Umsetzung die Grundlagen für die Arbeit der folgenden Module gelegt. Im Mittelpunkt standen die Ermittlung spezifischer Variantentypen in Beethovens Œuvre unter Berücksichtigung eines repräsentativen Querschnitts durch die Gattungen, die Klassifikation, Systematisierung und detaillierte Beschreibung dieser Varianten in verbaler und maschinenlesbarer Form sowie die Erprobung neuer, auf der Codierung der ermittelten Sachverhalte beruhender Darstellungsformen.
Parallel zu diesen Arbeiten wurde ein Glossar philologischer und technischer Begriffe erstellt, das im Hinblick auf die Übertragbarkeit der im Projekt entwickelten Methoden und Verfahren – aber auch für die interne Verständigung – eine zentrale Rolle spielt.
Schließlich war neben der technischen Infrastruktur zum Datenaustausch und zur Erleichterung von Arbeitsabläufen zwischen den beiden Arbeitsstellen in Bonn (Beethoven-Haus) und Detmold/Paderborn (Musikwissenschaftliches Seminar) auch eine projektspezifische Website aufzubauen, die vornehmlich der Publikation der Projektinhalte in digitaler Form und im open access dient. Die Ergebnisse der ersten Arbeitsphase wurden in der zweiten Hälfte der Laufzeit des Moduls in einer Expertenrunde vorgestellt und diskutiert.
Technische Voraussetzungen
Um jederzeit mit den für das Projekt notwendigen hochauflösenden Digitalisaten arbeiten zu können, wurde für alle Mitarbeiter der direkte Zugriff auf die Daten des Beethoven-Hauses eingerichtet. Zudem wurde unter der Adresse www.beethovens-werkstatt.de eine erste Version der Website erstellt und ein Projektmanagement-System (Redmine) etabliert, in dem die Mitarbeiter alle laufenden Arbeiten, Zwischenergebnisse und die Protokolle der wöchentlichen Telefonkonferenzen sowie der Arbeitstreffen intern dokumentieren, bevor ausgewählte Ergebnisse auf der projekteigenen Website veröffentlicht werden. Ferner wurde ein Versionsverwaltungssystem (SVN) zur strukturierten Ablage, Kontrolle und Speicherung von Daten eingerichtet.
Die erste Arbeitsphase in Modul 1
Für die Untersuchung von Entstehungsvarianten in verschiedenen Gattungen Beethovenscher Musik wurde den MitarbeiterInnen jeweils ein spezifischer Verantwortungsbereich zugewiesen (Vokalmusik: Susanne Cox; Symphonik: Federica Rovelli; Klaviermusik: Richard Sänger; Kammermusik: Maja Hartwig und Johannes Kepper; mit Eintritt von Elisa Novara übernahm diese einen Teil des Bereichs Kammermusik sowie die vokal-symphonische Gattung). In Detmold wurden durch Maja Hartwig und Johannes Kepper unter Beteiligung von Hilfskräften alle digitalisierten Quellen der in Modul 1 zu behandelnden Werke (Streichquartett C-Dur op. 59/3, Sinfonie Nr. 6 op. 68, Sinfonie Nr. 8 op. 93, Liederzyklus An die ferne Geliebte op. 98, Lied Neue Liebe, neues Leben op. 75/2, Klaviersonate c-Moll op. 111, Streichduo Duett mit zwei obligaten Augengläsern WoO 32, Messe C-Dur op. 86) in eine Edirom online-Version überführt, um für alle MitarbeiterInnen einen bequemen taktbasierten Zugang zu den entsprechenden Beethoven-Manuskripten zu schaffen. Außerdem konnten von allen ausgewählten Werken bereits früh MEI-Rohdaten bereitgestellt werden (meist aus anderen Formaten halbautomatisch generierte Dateien), sodass die Arbeit an der Codierung rasch aufgenommen werden konnte. Dabei ging es zunächst darum, in den jeweiligen Manuskripten Stellen zu identifizieren, die sich für eine Erläuterung und Systematisierung von Entstehungsvarianten in besonderer Weise anboten. Diese im Manuskript in der Regel auffälligen Takte (im Projekt als „Textnarbe“ bezeichnet) bildeten den Ausgangspunkt, um eine textgenetische Beschreibung im Zusammenspiel mit einer möglichst deiktischen digitalen Darstellungsweise zu entwickeln.
Parallel dazu begannen die Vorarbeiten für ein Glossar philologischer und technischer Begriffe, das auch über die erste Projektphase hinaus kontinuierlich weiterentwickelt wird. Mithilfe des Projektmanagementsystems Redmine wurden die Begriffe zunächst intern so weit diskutiert, dass in vielen Fällen bereits ein erster (und versionierter) Stand auf der Website publiziert werden konnte. Eine einheitlich verwendete Terminologie ist essentieller Gegenstand der Kommunikation innerhalb des Projekts und diente dabei der Systematisierung sowohl im wissenschaftlichen Diskurs als auch im Rahmen der Codierung von Varianten, da Softwarebestandteile nur auf einer klar definierten formalen Sprache nachhaltig aufgebaut werden können.
Im Hinblick auf ein zu entwickelndes Modell zur Codierung textgenetischer Informationen wurde nach intensiven Diskussionen in internen Workshops gemeinsam mit dem MEI-Entwickler Perry Roland (University of Virginia) eine grundlegende Entscheidung für eine musikspezifische Lösung in der Behandlung des Verhältnisses von Dokument- und Textebene der Editionen getroffen. Abweichend von dem textspezifischen Modell der TEI wird das Dokument im Projekt mithilfe von MEI durch Scalable Vector Graphics (SVG) als Faksimile erschlossen und mit den codierten Prozessinformationen der (inhaltlichen) Textebene verknüpft. Die sogenannten SVG-Shapes werden mithilfe von Tablets, auf denen jedes einzelne Zeichen einer Manuskriptseite nachgezeichnet wird, automatisch generiert und anschließend den entsprechenden musikalischen Zeichen innerhalb der Codierung zugewiesen. Hierfür konstruierten die MitarbeiterInnen des Projekts ein Werkzeug, das die manuelle Verknüpfung mit der Codierung vereinfacht. Die sogenannte Genetic Sandbox ermöglicht es, die einzelnen Zeichen einer Manuskriptseite durch anwählbar darübergelegte SVG-Shapes farblich hervorzuheben, sodass verschiedene Versionen einzelner „Schreibschicht-Markierungen“ erzeugt und ausprobiert werden können.
Zur Anzeige der von den Bonner MitarbeiterInnen erstellten handschriftlichen Transkriptionen der bearbeiteten Variantenstellen mussten diese zunächst in die MEI-Codierung übertragen werden. In den bereits vorhandenen Rohcodierungen konnte direkt an der entsprechenden Variantenstelle mit der manuellen Bearbeitung, d. h. Einfügen von Streichungen, Hinzufügungen, metatextlichen Informationen, Invarianzbeziehungen, Verknüpfung der Zeichen mit SVG-Shapes etc., begonnen werden.
Das von Laurent Pugin entwickelte frei zugängliche Verovio-Werkzeug wurde als Tool der Wahl genutzt, um aus der Codierung heraus einen lesbaren Notentext zu generieren. Anfänglich noch von einigen Darstellungsproblemen begleitet, erlaubt das sich rasch weiterentwickelnde Verovio inzwischen ein nahezu fehlerfreies Rendering der musikalischen Notation.
Workflow und entwickelte Prototypen
Seit Projektbeginn fanden wöchentlich interne Skype-Besprechungen statt. Außerdem konferierten die Mitarbeiter halbjährlich in mehrtägigen Arbeitstreffen. Diese Tagungen förderten einen zielorientierten, eng miteinander verwobenen Workflow der beiden Arbeitsstellen. Ein zusätzlicher gelegentlicher „Austausch“, bei dem einzelne Mitarbeiter die jeweils andere Dienststelle besuchten, erleichterte zudem die Verknüpfung von inhaltlicher und technischer Arbeit beider Projektstandorte.
Für jedes der inhaltlich aufbereiteten Beispiele wurde auf der Basis der MEI-Codierung ein Prototyp zur Darstellung der Variantenbildung entwickelt, der zunächst speziell auf die Anforderungen der jeweiligen Fallstudie ausgerichtet worden ist. Begonnen wurde mit dem Beispiel aus Beethovens Klaviersonate op. 111. Dieser erste Prototyp bot neben einer Faksimile-Ansicht die Möglichkeit, die Variantenabfolge im Faksimile durch Einfärbung hervorgehoben nachzuvollziehen, sich die einzelnen Varianten als Cleartext-Transkription anzeigen zu lassen oder die XML-Codierung einzusehen. Jede dieser Anzeigen kann zudem durch Klick auf ein beliebiges Zeichen auf der Faksimile-Seite erreicht werden: Durch Klicken öffnet sich eine Informationsbox mit entsprechenden Angaben, aus der heraus in eine andere Ansicht gewechselt werden kann. (Eine Beschreibung der Funktionsweise dieses Prototyps ist hier zu finden).
Um weitere Darstellungs-Modi zu explorieren, wurde als nächstes ein Ausschnitt aus dem langsamen Satz des Streichquartetts op. 59/3 untersucht. Die Anzeigen dieses Prototyps wurden nun um die Komponente des sogenannten Invarianz-Konzeptes erweitert. Dieses soll helfen, die Übernahme von Textelementen aus vorangegangenen Varianten in eine folgende Variante zu erkennen. Diese konstant bleibenden Textelemente erhalten innerhalb der Darstellung die gleiche Farbe.
Mit Neue Liebe, neues Leben op. 75/2 – dem Beispiel der Gattung Lied – wurde diese Invarianz-Anzeige überarbeitet und eine Rekonstruktions-Ansicht eingeführt, anhand derer die Aufeinanderfolge der einzelnen Schreibschichten auf der Manuskriptseite nachvollzogen werden kann.
Das symphonische Beispiel, eine Variantenstelle aus der 8. Sinfonie op. 93, stellte die Mitarbeiter vor neue Herausforderungen: Hier brachte die erhöhte Stimmenanzahl und die Einbeziehung mehrerer Quellen eine neue Komplexität ins Spiel, die sich erheblich auf die inhaltliche Arbeit, das Datenmodell und die Software auswirkte und zu einer weiteren Überarbeitung der Konzepte führte.
Gleichzeitig zeigte das vokalsymphonische Beispiel aus der Messe C-Dur op. 86 die Grenzen der Erkenntnismöglichkeiten auf: Sowohl in Bezug auf die inhaltliche Erfassung als auch auf die Darstellungsmöglichkeiten lag hier ein Fall vor, der als „aktuell nicht lösbar“ bzw. „nicht in die digitale Umgebung umsetzbar“ eingestuft werden musste. Nähere Ausführungen dazu sind in dem Beitrag „Schreibchronologie bei Orchestrierungsvarianten: ein Beispiel aus Beethovens Messe C-Dur op. 86“ nachzulesen.
Während der Softwareentwicklung zeigten sich wiederholt Beschränkungen und Kompatibilitätsprobleme zwischen den einzelnen, je auf eine spezifische Aufgabe zugeschnittenen Prototypen. Besonders bei der Bearbeitung des das Modul abschließenden Beispiels Duett mit zwei obligaten Augengläsern WoO 32, mit dem erstmals ein vollständiger Satz dargestellt werden sollte, traten die Vorteile einer einheitlichen, modular aufgebauten Anwendung, in die sich sämtliche Beispiele integrieren lassen, immer deutlicher zutage. Mit Blick auf eine Zusammenführung der Fallbeispiele unter einer Anwendung und vor dem Hintergrund der Anforderungen des folgenden zweiten Moduls fiel daher der Entschluss zur Entwicklung einer entsprechenden Software unter dem Namen VideApp. Ausführliche Informationen zu den Voraussetzungen, zur Umsetzung und zum technischen Aufbau dieser VideApp sind in dem Beitrag „Softwareentwicklung – Zwischenbilanz (2014–2017)“ zu finden.
Vorstellungen und Öffentlichkeitsarbeit des Projekts
Erste Präsentationen des Projekts fanden an den Arbeitsstandorten in Detmold und Bonn sowie während der Music Encoding Conference (MEC) in Charlottesville 2014 statt. Beim Festakt zur offiziellen Eröffnung des Projekts im Beethoven-Haus Bonn am 1. Dezember 2014 wurde im Rahmen der Projekt-Präsentation der erste Prototyp der Darstellungssoftware vorgestellt.
Darüber hinaus präsentierten die MitarbeiterInnen, das Projekt auf wissenschaftlichen Tagungen, bei Workshops und in Lehrveranstaltungen. Die entsprechenden Aktivitäten gehen sowohl aus der Liste der Vorträge und Präsentationen als auch aus der Aufstellung der publizierten Aufsätze hervor.
Das Projekt ist mit der MEI-Community eng verbunden und trägt aktiv zur Diskussion um die Erweiterung der Codierungsstandards bei. Bei den jährlichen Music Encoding-Konferenzen (MEC) berichteten die MitarbeiterInnen regelmäßig über die laufenden Entwicklungen im Projekt durch Poster oder Vorträge. An der Edirom-Summer-School hielten die MitarbeiterInnen Kurse zur MEI oder zur digitalen Musikedition.
Ebenso wird das Projekt in der Beethoven-Forschung zunehmend wahrgenommen, wie die Einladungen an die Boston University (Center for Beethoven Research), die Teilnahme an der 4. und 6. New Beethoven Research Conference (Bonn 2014 und Vancouver 2016) und die Kooperation mit der Zeitschrift BBS (Bonner Beethoven Studien) belegen. Darüber hinaus hat sich Beethovens Werkstatt wiederholt beim Studienkolleg des Bonner Beethoven-Hauses engagiert.
Der Austausch mit anderen textgenetisch ausgerichteten Forschungsvorhaben wird durch weitere Kooperationen gefördert: Wichtig ist die Zusammenarbeit mit dem ITEM (Institute des Textes et Manuscrits Modernes) in Paris, welches das zentrale französische Institut für Arbeiten im Bereich der Critique génétique darstellt. Die Zusammenarbeit mit einem Dissertationsprojekt zu Reger-Skizzen beim Max-Reger-Institut in Karlsruhe zeigt, wie die Methoden des Projekts auf andere Komponisten übertragen werden können. Die Kooperation mit dem Dipartimento di Musicologia e Beni Culturali in Cremona (Università di Pavia) dient darüber hinaus der Förderung von NachwuchswissenschaftlerInnen. Seminare und gemeinsame Dissertationsprojekte werden zurzeit auch dank europäischer Förderungsprogramme – wie dem sogenannten Erasmus-Trainership – entwickelt.
Maßgeblicher Bestandteil der ersten Projektphase war die Organisation eines Expertengesprächs zur genetischen Textkritik im Bereich der Musik, das am 26. und 27. November 2015 in der Mainzer Akademie stattfand. Neben Vertretern der Literaturwissenschaft (Almuth Grésillon, Hans-Walter Gabler, Kurt Gärtner, Gerrit Brüning, Dietmar Pravida, Joshua Schäuble) nahmen auch Kolleginnen und Kollegen musikalischer Gesamtausgaben sowie William Kinderman und Ulrich Konrad teil. Alle MitarbeiterInnen des Projekts beteiligten sich mit Kurzreferaten. Die Beiträge und Diskussionen des Expertengesprächs wurden auf der Projektwebsite veröffentlicht. (Die Texte sind auf der Basis von TEI-Codierungen erstellt worden und werden zeitnah auch als solche zum Download bereitgestellt). Eine Fortsetzung des Kolloquiums im zweiten Modul ist in Planung.
Nach und nach konnten in einem Glossar auf der Website Definitionen von philologischen und technischen Begriffen veröffentlicht werden, die die projektspezifische Terminologie von Beethovens Werkstatt widerspiegeln (darunter u. a.: Scharnier, Progression, Intervention, Redaktion, Textualisierung, Invarianz, Schreibraum, Revision, Textsicherung, Textzustand, Kohärenz, Textstufe, Schreibmittel, Variante, Metatext, Mikrochronologie, Leitstimme, Critique génétique, Cue staff, Genetische Taktzählung, Digitale Musikedition).
Eingangsevaluierung und Abschluss des ersten Moduls
Am 13. und 14. Juni 2016 fand in Detmold die erste Evaluierung des Projekts durch drei von der Mainzer Akademie der Wissenschaften nominierte Gutachter statt. Die MitarbeiterInnen hatten hierzu Vorträge und Materialien vorbereitet, anhand derer Forschungsziele, Arbeitsweisen und Methoden präsentiert und anschließend diskutiert werden konnten. Die vielfältigen Anregungen aus dieser Diskussion konnten teils bereits umgesetzt werden, teils ist deren Realisierung für die erste Phase des zweiten Moduls geplant.
Neben der Ergänzung des Glossars, der Vorbereitung der Veröffentlichung des Expertengesprächs und der Umstrukturierung der Website als Publikationsplattform stand am Ende des ersten Moduls die Entwicklung der modular alle Beispiele einschließenden VideApp im Zentrum der Arbeit. Diese erforderte auch eine intensive Überarbeitung der Daten aller Beispiele, was aus Zeitgründen nach und nach geschehen musste, so dass zunächst nur die Beispiele Op. 75/2, Op. 93 und WoO 32 in die neue VideApp übernommen wurden. Die textgenetisch aufgearbeiteten Variantenstellen in Op. 111 und Op. 59/3 bleiben in der ursprünglichen Version der Prototypen zugänglich und dienen somit zugleich der Projektdokumentation.
Lessons learned im ersten Modul
Beethovens Werkstatt ist ein Grundlagenforschungsprojekt. Damit einher geht notwendigerweise die kritische Reflexion der eigenen Arbeit und die experimentelle Erprobung verschiedener Methoden, Darstellungsmöglichkeiten und die ständige Hinterfragung der entwickelten Terminologie. Dabei können auch Irrwege zu wichtigen Erkenntnissen führen. Zum Ende des ersten Moduls sind aus der Sicht der MitarbeiterInnen und der Projektleitung vor allem folgende Punkte festzuhalten:
- Die Kombination der beiden Forschungsansätze – Genetische Textkritik und Digitale Musikedition –, die sich in der Zusammenarbeit zweier jeweils darauf spezialisierter Forschungsinstitutionen verwirklicht, bedarf eines kontinuierlichen Wissenstransfers zwischen diesen beiden Institutionen bzw. ihren MitarbeiterInnen. Ein vertieftes Verständnis der jeweiligen Arbeitsmethoden und das Bemühen um Transparenz gehören zum Kern einer erfolgreichen Arbeit in einem solchen Kooperationsprojekt. Nur so kann das Missverständnis ausgeräumt werden, dass hier inhaltliche und da technische Arbeit erfolge – beide Seiten sind sehr eng miteinander verknüpft und haben die gleiche Nähe zum Erkenntnisgegenstand. Sowohl Transkription als auch Codierung sind Formen der Erkenntnisgewinnung und -dokumentation.
- Damit zusammenhängend hat sich der regelmäßige Austausch, wie er insbesondere durch die halbjährlichen Klausurtagungen und den mehrtägigen „Austausch“ von MitarbeiterInnen realisiert wurde, als essentiell für den erfolgreichen Verlauf des Projekts erwiesen.
- Ein Ergebnis des ersten Moduls ist die Ermittlung und Systematisierung von Variantentypen in Beethovens Werken. Eine Dokumentation des Begriffs Variante und weiterer damit zusammenhängender Begriffe ist im Glossar nachzulesen. Die Einbettung in das Datenmodell erfolgt durch unmittelbare Verknüpfung mit den MEI-Codierungen.
- Das Projekt hat die Außenwirkung der Website und die Probleme mangelnder Vermittlung der Inhalte bzw. der erstellten Prototypen anfangs unterschätzt. So war nur schwer zu vermitteln, dass es dem Projekt nicht um Werkedition im traditionellen Sinne und auch nicht um die Edition der Genese kompletter Werke geht, sondern um Erkenntnisse zum Schreibprozess, die zunächst an Einzelfallstudien gewonnen werden. Ebenso erwies sich die Benennung der Darstellungsformen für die einzelnen Beispiele als „Prototypen“ als unglücklich, zumal auch genauere Erläuterungen der Funktionsweise und des Stellenwerts dieser Prototypen auf der Website fehlten. Die Evaluierungskommission hat in Bezug auf die Vermittlung der Inhalte der Website bzw. generell bezogen auf die Erkenntnisvermittlung des Projekts wertvolle Anregungen gegeben, die in die Planung zur Umstrukturierung der Website in der ersten Phase des zweiten Moduls einbezogen wurden.
- Die interne Dokumentation der laufenden Arbeiten und der Ergebnisse mithilfe des Redmine-Projektverwaltungssystems hat sich als wertvoll erwiesen, erfordert aber hohe Selbstdisziplin, um die Entwicklung dieses Grundlagenforschungsprojektes für Externe oder neue Mitarbeiter hinreichend zu dokumentieren.
- Wie in vielen digitalen Projekten wurde auch bei Beethovens Werkstatt der mit der digitalen Technik notwendige Arbeitsaufwand unterschätzt. Als Grundlagenforschungsprojekt kann Beethovens Werkstatt nur wenig auf Vorarbeiten aufbauen. Neue Lösungsformen (die dann vergleichbaren Projekten zugute kommen können) erweisen sich zwar oft als vielversprechend, zugleich aber auch als außerordentlich arbeitsintensiv. Die gegenwärtige Personalausstattung der Detmolder Arbeitsstelle muss vor diesem Hintergrund als unzureichend bezeichnet werden.
- Die für einen reibungslosen Workflow notwendigen technischen Voraussetzungen sind in vielerlei Hinsicht noch immer nicht gewährleistet: Die wöchentlichen Skype-Konferenzen kranken an Übertragungsproblemen und sind mit Standards für geschützte Räume zum wissenschaftlichen Austausch eigentlich unvereinbar. Außer dem proprietären Google-Doc fehlen komfortable Kollaborationstools für die gemeinsame Erstellung von Texten (Redmine bietet hier eine akzeptable, aber nicht immer bequeme Alternative). Auch Zugriffsgeschwindigkeiten bei großen Datenmengen stellen immer noch einen Hemmschuh bei der täglichen Arbeit dar. Hier können projektspezifisch nur Ersatzlösungen gefunden werden – es wäre Aufgabe der wissenschaftlichen Community, entsprechende Werkzeuge zur Verfügung zu stellen.
- Das Projekt erfreut sich an der wachsenden Aufmerksamkeit in der Musikphilologie, was zu einem Ansporn der wissenschaftlichen Arbeiten führt.