Wasserzeichen

Als Wasserzeichen bezeichnet man die markanten, durch das Papier scheinenden Zeichen, die zu erkennen sind, wenn man ein handgeschöpftes Blatt Papier gegen das Licht hält. Ebenfalls als Wasserzeichen wird das Drahtgeflecht benannt, das im Schöpfsieb eingewoben ist und die charakteristischen Formen und Zeichen überhaupt erst im Papier hinterlässt, da das Papier an diesen Stellen dünner ist.
Wasserzeichen wurden in Europa seit dem Hochmittelalter genutzt, um Papiermühle, -format und/oder -sorte erkennbar zu machen. Wasserzeichen sind wichtige kodikologische Hilfsmittel zur Datierung und zur Bewertung der Authentizität (musik)historischer Dokumente. Das Wasserzeichen setzt sich dabei im 18. und 19. Jahrhundert meist aus einer Hauptmarke (eine bildhafte Form oder ein Wappen) und der Gegenmarke (meist Buchstaben und Zahlen) zusammen.

Das Papier wurde in Papiermühlen hergestellt. Am Herstellungsprozess sind zwei Personen beteiligt, der Schöpfer und der Gautscher. Der Schöpfer taucht die Schöpfform in einen mit Papierbrei gefüllten Bottich. Als Schöpfform bezeichnet man einen Rahmen, in den ein Drahtgeflecht gespannt ist. Dieses Geflecht hält die festen Teile des Papierbreis, während das Wasser abtropft, sodass sich auf dem Draht eine dünne Papierschicht ablagert. Der Gautscher übernimmt die gefüllte Form, wendet die Papierschicht und legt sie auf einem Filz ab (sog. Abgautschen). Damit Schöpfer und Gautscher fließend miteinander arbeiten können, werden zwei Formen parallel verwendet. Die abgelegten Papierbögen werden dann getrocknet, geleimt und abschließend geglättet. Der aufgetragene Leim verbessert die Struktur der Papieroberfläche.

Innerhalb der Schöpfform wird zwischen den längs und den quer verlaufenden Drähten unterschieden. Die dickeren, der Struktur Halt gebenden Drähte nennt man Kettdrähte, die eng verlaufenden, dünneren Drähte sind die sogenannten Rippdrähte. Das Wasserzeichen ist in das Drahtgeflecht der Schöpfform mittels gebogener Drähte eingearbeitet. Beim Schöpfen liegt die Papierschicht auf diesen Drähten, sodass das Papier an diesen Stellen etwas dünner ist, wodurch das Licht an diesen Stellen intensiver durchscheint und das Wasserzeichen sichtbar macht. Letztlich sind auch die Kettdrähte und ggf. auch die Rippdrähte der Schöpfform gegen das Licht erkennbar. Auch deren Abstände können im Vergleich aufschlussreich sein, auch wenn diese Drähte nicht Teil des eigentlichen Wasserzeichens sind. Da in aller Regel mit einem Schöpfformenpaar gearbeitet wurde, gibt es ein entsprechendes Wasserzeichen-Paar, dessen Zeichen mehr oder weniger stark variieren.

Ein Bogen Papier wurde in der Regel durch horizontales und vertikales Falten und Zerteilen in zwei Doppelblätter oder vier Blatt Papier unterteilt (s. Schnittkanten). Jeder Bogen setzt sich also aus insgesamt vier Quadranten zusammen, die jeweils einen, manchmal auch keinen Teil des Wasserzeichens enthalten.
Ziel einer Wasserzeichenuntersuchung ist, das gesamte Zeichen eines ursprünglich ungeteilten Bogens mit Hilfe aller vier Quadranten zu rekonstruieren. Das Wasserzeichen wird dabei mit Aufsicht auf die Siebseite, also der beim Schöpfen auf dem Drahtgeflecht liegenden Seite, beschrieben. Die andere Seite, auf der der Gautscher das Papier ablegte, wird als Filzseite bezeichnet. Die einzelnen Quadranten eines Bogens werden dann von links unten im Uhrzeigersinn von 1 bis 4 nummeriert.

Das Wasserzeichen dient der Erkennung verschiedener Papiersorten und der Papierherkunft. So kann es auch für die Rekonstruktion von Skizzenbüchern und die Beschreibung der Lagenstruktur Hinweise liefern. Neben dem Wasserzeichen erfordert die genaue Beschreibung eines Papiers Informationen zu den Abmessungen des Blattes, zur Farbe, zur Rastrierung, evtl. zu den Stichlöchern und Schnittkanten. Da sich die Drahtgebilde der Wasserzeichen mit der Zeit abnutzen, sind aufgrund der dadurch im Wasserzeichen entstehenden Veränderungen mitunter genauere Abstufungen der Datierung möglich.

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Version 1.1.1


  • Enßlin, Wolfram: Wasserzeichen/Papier, in: Das Beethoven-Lexikon, hg. von Heinz von Loesch und Claus Raab, Laaber 2008, S. 832–834.
  • Johnson, Douglas, Alan Tyson, Robert Winter: The Beethoven Sketchbooks. History, Reconstruction, Inventory, hg. von Douglas Johnson, Oxford 1985, S. 50–54.
  • Konrad, Ulrich: Wasserzeichen, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, zweite, neubearbeitete Ausgabe, hg. von Ludwig Finscher, Sachteil 9 (1998), Sp. 1914–1921.