Opferlied op. 121b und Bearbeitung als Klavierauszug
Kurzinformation
Entstehungszeit
- November 1824 bis Juli 1825
Quellen
Zur Orchesterfassung
- Autographe Partituren:
- CN-Privatbesitz (frühe Werkniederschrift von T. 32–63)
- A-Wst, MH 4694/c (zweite Niederschrift)
- Originalausgabe in Partitur und Stimmen:
- Mainz: B. Schott Söhne, Juli 1825, PN 2279
Zum Klavierauszug
- Autographer Klavierauszug ohne Singstimmen:
- D-B, Mus. ms. autogr. Beethoven 56, fol. 1r–2r
- Originalausgabe:
- Mainz: B. Schott Söhne, Juli 1825, PN 2279
Codierungsvorlagen
- Orchesterfassung, Originalausgabe in Stimmen, Exemplar: D-BNba, C 121b / 5
- Klavierauszug, Originalausgabe, Exemplar: D-BNba, C 121b / 1
Entstehungsgeschichte
Der Text des Opferlieds stammt von Friedrich von Matthisson. Beethoven hat sich in der Zeit von 1794 bis 1825 immer wieder mit Matthissons Gedicht Die Flamme lodert beschäftigt und es mehrmals vertont.
Die letzte Fassung des Opferlieds (op. 121b), die wir im zweiten Modul betrachten, schrieb Beethoven Ende 1824 / Anfang 1825 für eine Solostimme (Sopran), Chor und Orchester. Sie stellt die Überarbeitung einer Frühfassung von 1822 (s. u.) dar, die Beethoven möglicherweise vornahm, weil er zuvor keinen Verleger zur Veröffentlichung gefunden hatte.[1] Das Opferlied wurde schließlich im Juli 1825 bei B. Schott Söhne in Mainz in Partitur und Stimmen und auch als Klavierauszug herausgegeben, den Beethoven selbst angefertigt hat.
Skizzen zur letzten Fassung des Opferlieds stammen von November/Dezember 1824. Die Quellenüberlieferung ist unvollständig: Es gibt eine frühe Werkniederschrift (in Privatbesitz), die nur fragmentarisch (T. 32–63) erhalten ist. Dabei handelt es sich um eine Arbeitspartitur mit vielen Änderungen Beethovens, leeren Takten und nur wenigen Legatobögen und Dynamikangaben. Die später entstandene autographe Partitur (A-Wst, MH 4694/c) hat auf vielen Seiten den Charakter einer Reinschrift, enthält aber dennoch einige Adhoc- und Revisionsvarianten. Sie ist jedoch nicht nur eine Abschrift der frühen Niederschrift, denn „zu einem großen Teil wurde die Komposition erst hier ausgearbeitet“.[2] Die Stichvorlage zur Orchesterfassung, eine von Beethoven überprüfte Abschrift des Kopisten Ferdinand Wolanek, ist nicht überliefert. Sie wurde am 4. Februar 1825 an den Verlag geschickt (BGA 1931). Beethoven teilte dem Verleger am 7. Mai 1825 brieflich eine Änderung bzgl. T. 44/45 der Solostimme mit, die in den Ausgaben jedoch nicht berücksichtigt wurde (BGA 1966). Die Originalausgaben sind im Juli 1825 gleichzeitig als Partitur, Stimmen und Klavierauszug erschienen.
Für den Klavierauszug ist als Quelle Beethovens autographe Niederschrift erhalten, die aber keine Singstimmen enthält (D-B, Mus. ms. autogr. Beethoven 56, fol. 1r–2r). Eine heute verschollene Abschrift, die wie die autographe Niederschrift nur aus dem Klavierpart bestand, diente als Stichvorlage. Die Singstimmen wurden nach der Originalausgabe der Orchesterfassung gestochen.[3]
Frühfassung von op. 121b
Beethoven hatte die Frühfassung des Opferlieds im Jahre 1822 für eine Akademie des Sängers Wilhelm Ehlers in Preßburg komponiert. Sie wurde in einem Konzert am 23. Dezember 1822 aufgeführt. Im Gegensatz zur späteren Fassung von 1824/25 besteht die Besetzung hier aus drei Solostimmen (Sopran, Alt und Tenor), Chor und kleinem Orchester. Beethoven erweiterte bei der Umarbeitung das Orchester (es kamen zwei Fagottstimmen, ein zweites Horn, zwei Violinstimmen und ein Kontrabass hinzu), änderte die Taktart (von 2/4 zu 4/4) und gestaltete die Begleitung eigenständiger. Ebenfalls neu ist in der letzten Fassung die in der zweiten Strophe hinzutretende Solo-Cellostimme. Im August 1826, als die revidierte Fassung des Lieds erschienen war, schrieb Beethoven dem Tenor Ehlers, dass „man ihnen auch das Opferlied einhändige […], denn das ursprüngliche u. wahre Koncept davon, fand sich erst später.“ (BGA 2178).
Opferlied für Singstimme und Klavier (WoO 126)
Beethovens allererste Vertonung des Opferlied-Textes war als Solo-Lied mit Klavierbegleitung konzipiert. Ein erster Entwurf dazu stammt von 1794/95, Beethoven beendete die Komposition 1798 und das Lied wurde 1808, wohl ohne sein Wissen, bei N. Simrock in Bonn veröffentlicht.
Daneben schrieb Beethoven noch zwei Kanons über die letzte Zeile des Textes das Schöne zu dem Guten (WoO 202; 1823 und WoO 203; 1825).
Zur Bearbeitung und zur Darstellung in der VideAppArrangements
Beethovens Opferlied, in dem er ein Gedicht Friedrich von Matthissons vertonte, hat zwei Strophen. Diese bestehen jeweils aus einem Abschnitt für Solo-Sopran und einem Chorabschnitt. Während die Soloteile (T. 1–21 und 37–56) nur von den Blasinstrumenten begleitet werden, treten in den Chorabschnitten (T. 22–35 und 57–72) noch die Streicher hinzu. In der zweiten Strophe kommt zudem ein Solo-Violoncello zum Einsatz.
Beethoven stellte vom Opferlied einen Klavierauszug her, der gleichzeitig mit der Orchesterfassung veröffentlicht wurde. Da das Opferlied groß besetzt ist, musste Beethoven bei der Reduktion für das Klavier Teile des musikalischen Materials weglassen. Während in den Solo-Partien vorwiegend die melodietragenden Klarinetten und die Fagotte in den Klavierauszug übernommen wurden, findet sich in den groß besetzten Chorabschnitten der Streichersatz im Klavier wieder.
Die VideAppArr ermöglicht einen Vergleich der Originalausgaben von Orchesterfassung und Klavierauszug des Opferlieds aus verschiedenen Blickwinkeln. Die Perspektive Bearbeitungsmaßnahmen lässt schnell erkennen, wo sich die beiden Fassungen voneinander unterscheiden. Dabei sind die Noten des Orchestersatzes, die Beethoven im Klavierauszug weggelassen hat (Tilgungen), rot eingefärbt, während die im Auszug neu hinzugekommenen Noten (Hinzufügungen) grün dargestellt werden. Beim Vergleich fällt auf, dass die Singstimmen komplett übereinstimmen, also invariant sind. (Bei dem einen Ton des Solo-Soprans, der sich in T. 55 in den Fassungen unterscheidet, handelt es sich um einen Stichfehler in der originalen Stimmenausgabe der Orchesterfassung, die der Codierung zugrunde liegt, s. u.) Der Invarianz-Anteil (schwarze Noten) ist im Klavierauszug sehr hoch: Es kommen nur wenige Noten neu hinzu bzw. ersetzen Töne der Orchesterfassung (grüne Noten). Die größere Anzahl von roten Noten in der Originalfassung zeigt, dass für die Reduktion im Klavierauszug einiges weggelassen wurde. Dabei handelt es sich oft um Oktavverdoppelungen.
Die Einfärbung macht außerdem deutlich, dass der Invarianz-Anteil in den beiden Abschnitten des Solo-Soprans höher ist als in den Abschnitten, in denen der Chor singt. Dies liegt darin begründet, dass die Solo-Abschnitte dünner besetzt sind, weshalb fast alle Stimmen in den Auszug übernommen werden können. Der Anteil der roten, weggelassenen Noten wird am Beginn des Chor-Abschnitts (T. 22) deutlich höher: Ab hier fallen große Teile des Bläsersatzes weg. Stattdessen wird der Streichersatz in den Klavierauszug übernommen.
Die Perspektive Einzelnotenvergleich geht einen Schritt weiter als die Perspektive Bearbeitungsmaßnahmen: Sie macht nicht nur erkennbar, wo sich die Unterschiede zwischen den Fassungen befinden, sondern auch worin sie bestehen. Beim Opferlied fällt die große Anzahl von orange eingefärbten Noten auf. Diese Noten unterscheiden sich in den beiden Fassungen nur in Bezug auf ihre Oktavlage, d. h. die Ähnlichkeit ist groß, weil der Tonbuchstabe und die Tondauer übereinstimmen. Am seltensten findet man im Opferlied pink markierte Noten, also Noten, bei denen weder Tonhöhe noch Tondauer gleich sind. Dieser Befund passt zu einem Klavierauszug, bei dem man eine hohe Übereinstimmung mit dem Original erwartet.
Vergleicht man die Ereignisdichte der beiden Fassungen, so fällt auf, dass diese bis T. 21 übereinstimmt: Dort beginnt der erste groß besetzte Chor-Abschnitt, bei dem es nicht mehr möglich war, den Großteil der Orchesterstimmen in den Klavierauszug zu übernehmen. Ab T. 22 bestehen deshalb größere Unterschiede zwischen den Fassungen und diese sind auch durch Abweichungen in der Ereignisdichte erkennbar, die in der Orchesterfassung etwas höher ist als im Klavierauszug.
Beethoven setzte in der zweiten Strophe des Opferlieds (ab T. 36) eine Solo-Cellostimme ein, deren punktierter Rhythmus sich in einem charakteristischen Muster der Ereignisdichte widerspiegelt. Die Takte, in denen der Verlauf des Solo-Cellos nicht in den Klavierauszug übernommen wurde, sind an Abweichungen der Ereignisdichte erkennbar, siehe z. B. T. 42ff.
Hinweise zur Codierung
Die der VideAppArr zugrundeliegenden MEI-Codierungen basieren für das Opferlied op. 121b auf den jeweiligen Originalausgaben der Orchesterfassung (in Stimmen) und des Klavierauszugs (siehe Codierungsvorlagen). Dabei ist es nicht das Ziel, eine kritische Edition des Opferlieds und des Klavierauszugs zu erstellen. Deshalb werden die in den genannten Ausgaben vorhandenen Fehler, Defizite und Inkonsistenzen (z. B. Dynamikangaben, Bogensetzung, Artikulation betreffend) nicht korrigiert. Fehler der Originalausgaben, welche den primären Notentext (Tonhöhen, Tondauern, Schlüssel, etc.) betreffen, den wir mit unseren Vergleichswerkzeugen untersuchen, werden innerhalb der Codierung mit einer Anmerkung versehen. Die quellengetreu in die Daten übernommenen Fehler werden in den verschiedenen Perspektiven der Anwendung entsprechend als Varianz erkannt. Nur gravierende Fehler, die nicht nur lokal begrenzt sind, sondern in der späteren vergleichenden Datenauswertung über weite Strecken die Ergebnisse verzerren würden (wie z. B. fehlende Schlüsselwechsel), werden behoben.
Bei den verschiedenen im zweiten Modul untersuchten Fassungsvergleichen wurden bewusst unterschiedlichste Quellentypen (Originalausgabe, Neue Beethoven Gesamtausgabe) gewählt, um die Funktion der Software an verschiedenen Ausgangsquellen zu demonstrieren. Ausführliche Informationen zu den Codierungsrichtlinien sind hier zu finden.
Folgende Fehler des primären Notentextes finden sich in den Originalausgaben:
Orchesterfassung:
- T. 10, Clar II, 1. Note: Erhöhungszeichen fehlt
- T. 13, Fg II, 1. Note: Tonhöhe dis falsch, korrekt wäre e
- T. 21, Cor I, Zz 2: Viertelpause fehlt
- T. 45, Clar I, 1. Note: Erhöhungszeichen fehlt
- T. 47, Clar II, 2. Note: Tonhöhe a1 falsch, korrekt wäre g1
- T. 49, Vc, 4. Note: Tonhöhe gis1 falsch, korrekt wäre a1
- T. 55, Sop solo, 2. Note: Tonhöhe e2 falsch, korrekt wäre dis2
- T. 67, Fg I, 3. Note: Viertelnote falsch, korrekt wäre Achtelnote
Klavierauszug:
- T. 3, Pfte u, letzte obere Note: Viertelnote falsch, korrekt wäre Achtelnote
- T. 10, Pfte o, 1. Note a: Erhöhungszeichen fehlt
- T. 11, Pfte o, 1. Note a: Erhöhungszeichen fehlt
- T. 39, Pfte o, Zz 3: Viertelpause fehlt
- T. 48, Pfte u, 2. Note: Tonhöhe H falsch, korrekt wäre A
Verwendete Literatur
- Ludwig van Beethoven. Briefwechsel. Gesamtausgabe (BGA), hg. von Sieghard Brandenburg, Bd. 1–6, Bd. 7 (Register), München 1996, 1998.
- Beethoven Werke. Werke für Chor und Orchester, hg. von Armin Raab (NGA X/2), München 1998.
- Beethoven Werke. Lieder und Gesänge mit Klavierbegleitung, hg. von Helga Lühning (NGA XII/1), München 1990, Kritischer Bericht.
- Armin Raab, Vokalwerke mit Orchester der späteren Jahre, in: Beethovens Vokalmusik und Bühnenwerke, hg. von Birgit Lodes, Laaber 2014, S. 277–300.
Susanne Cox
Anmerkungen
[1] Vgl. Raab, Vokalwerke mit Orchester der späteren Jahre, S. 296.
[2] Raab, NGA X/2, S. 246.
[3] Vgl. Lühning, NGA XII/1, Kritischer Bericht, S. 106.