Bearbeitungsmaßnahmen

Die Perspektive der Bearbeitungsmaßnahmen (engl. genetic comparison) ist neben der Fassungssynopse (engl. plain comparison), dem Einzelnotenvergleich (engl. single note comparison), der Stimmenkontur (engl. melodic contour), dem Harmonievergleich (engl. harmonic comparison) und der Darstellung der Ereignisdichte (engl. event density) eine von sechs Perspektiven der VideApp-Arr, mit deren Hilfe Fassungen computergestützt verglichen werden können.

Auf den Funktionen der Fassungssynopse aufbauend ermöglicht die Perspektive, die Notentexte von Originalfassung und Bearbeitung eines Werkes auf unverändert übernommene Textteile (Invarianz) und auf durch Tilgung oder Einfügung erzeugte variante Textteile hin zu untersuchen. Die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen beiden Fassungen sind Ergebnis der kompositorischen Arbeitsmaßnahmen Beethovens (als Übernahme, Tilgung, Einfügung oder Ersetzung von Elementen) und lassen sich als Textbefunde objektiv ermitteln. Die Blickrichtung der Perspektive Bearbeitungsmaßnahmen entspricht der des Komponisten, der von einer Originalfassung ausgehend eine weitere Fassung eines Werks in anderer Besetzung erarbeitet.
Es wird für jede Note einer Ausgangsfassung geprüft, ob es in der Bearbeitung an der gleichen syntaktischen Position invariante bzw. variante Zeichen gibt. Noten der Originalfassung, die eine identische Entsprechung (Invarianz) in der Bearbeitung finden, werden wie auch beim Einzelnotenvergleich schwarz dargestellt. Diese Zeichen bilden den unveränderten, beide Fassungen deckungsgleich verbindenden Satzkern. Noten, die in der Bearbeitung nicht übernommen wurden (Tilgung), werden in der Originalfassung rot, Noten, die hinzugefügt wurden (Einfügung), in der Bearbeitung grün eingefärbt. Variante Textteile werden in der Darstellung also farblich vom invarianten Satzkern abgehoben. Die sonstigen Bestandteile des Notentexts sind dabei zur besseren Kenntlichmachung der eingefärbten Notenköpfe ausgegraut. Wenn an syntaktisch gleicher Stelle in der Originalfassung eine Tilgung (rot) und in der Bearbeitung eine Einfügung (grün) vorliegt, handelt es sich um eine Ersetzung im Sinne einer Textintervention (siehe dazu die Definition Ersetzung).

Die Perspektive Bearbeitungsmaßnahmen greift Beethovens Sprachgebrauch auf. Beethoven hat Kriterien einer Bearbeitung, die nur vom Komponisten selbst adäquat geleistet werden kann, beschrieben. In der Bearbeitung müssen „nicht allein ganze Stellen gänzlich wegbleiben [Tilgung] und umgeändert werden [Ersetzung]“, sondern der Komponist muss manches auch „noch hinzuthun [Einfügung]“ (Brief Beethovens vom 13. Juli 1802 an Breitkopf & Härtel, BGA 97).

Während die Perspektive der Bearbeitungsmaßnahmen beide Fassungen in Bezug auf getilgte, hinzugefügte und ersetzte Textteile markiert, untersucht der Einzelnotenvergleich genau diese markierten Noten auf Invarianz, Varianz und Differenz.

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