Fremde Bearbeitung des Septetts Es-Dur op. 20 als Streichquintett (2 Violinen, 2 Violen, Violoncello), vermutlich von Franz Anton Hoffmeister selbst

Kurzinformation

Entstehungszeit

Quellen

Zur originalen Septett-Version von op. 20

Zur Streichquintettversion von op. 20

Codierungsvorlagen

Entstehungsgeschichte

Unmittelbar nach der Übersendung der Stichvorlage seines Septetts op. 20 an Franz Anton Hoffmeister Ende April 1801 regte Beethoven selbst ein Arrangement „für flöte z.B. als quintett“ an, damit „den flöten liebhabern, die mich schon darum angegangen“ zu einem weiteren Stück verholfen würde.[1] Dabei überließ Beethoven die Arbeit dieses Arrangierens dem Verleger. Hoffmeister brachte jedoch nicht die von Beethoven gewünschte Bearbeitung (vermutlich gedacht für Flöte und Streicher) heraus, sondern veröffentlichte im Sommer 1802, kurz nach der Publikation der Originalversion, eine Fassung für Streichquintett. In dieser Bearbeitung ist das Werk am 17. Juli 1802 in der Leipziger Zeitung und am 11. August 1802 im Kaiserlich privilegirten Reichs-Anzeiger Nr. 213, Sp. 2644 mit dem Datum „Leipzig im July 1802.“ als „Beethoven Quintetto p. 2 V. 2 A. Vcelle Op. 20. No. 1.2. à 1 Thlr.“ angezeigt, erschien also (wie schon das Septett) in zwei Teilen und ohne Nennung Hoffmeisters als (dem vermutlichen) Arrangeur.
Beethoven erhielt im August Belegexemplare dieser Bearbeitung, wie aus einer Mitteilung des Wiener Buchhalters von Ambrosius Kühnel, Caspar Josef Eberl, hervorgeht, in der es heißt: „H v Beethoven habe die 2 Exempl[are] quintetten behändiget, ist ihme aber sehr unlieb d[aß] es wider 2 Partien ist, der Preys davon ist zu hoch, ich fühle es, der absatz so wohl von 7tet als quintett ist sehr sehr unbeteutend […]“.[2]
Der Komponist verwahrte sich dann allerdings gegen die Veröffentlichung der Quintettfassung (sowie einer weiteren seiner 1. Sinfonie op. 21 bei Mollo in Wien) unter seinem Namen, indem er im November 1802 u.a. in der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung eine Anzeige einrücken ließ, in der er sich über die mangelnde Kennzeichnung solcher Editionen als „Uebersetzungen“ der „Herren Verleger“ beklagte und etwas indigniert schrieb: „Das Uebersetzen [d.h. Bearbeiten] überhaupt ist eine Sache, wogegen sich heut zu Tage (in unserm fruchtbaren Zeitalter – der Uebersetzungen) ein Autor nur umsonst sträuben würde; aber man kann wenigstens mit Recht verlangen, dass die Verleger es auf dem Titelblatte anzeigen, damit die Ehre des Autors nicht geschmälert, und das Publikum nicht hintergangen werde.“[3]
Offensichtlich zeigte sich Hoffmeister aber unbeeindruckt von Beethovens Kritik, denn die weiteren Titelauflagen (selbst noch die ab 1814 im Verlag seines Nachfolgers Carl Friedrich Peters bis in die 1850er Jahre publizierten) erschienen ohne Tilgung von Beethovens Namen bzw. ohne Nennung des Bearbeiters.[4]

Zur Bearbeitung und zur Darstellung in der VideAppArrangements

Die Hoffmeister-Bearbeitung wurde im Akademieprojekt Beethovens Werkstatt als eine Art Bonus-Version (erstellt von den Mitarbeiter*innen anlässlich des 70. Geburtstags von Bernhard R. Appel) aufgenommen, um eventuelle Unterschiede zu Beethovens Bearbeitungspraxis aufzuzeigen (Basis der Codierung ist dabei der Stimmendruck von 1802). Die Perspektive Fassungssynopse zeigt zunächst, dass der Verleger das Werk – wie zu erwarten – komplett in die Quintettversion übertragen hat und auch auffallende Veränderungen im Detail vermied (das „hinzuthun“, das Beethoven im Falle der Bearbeitung von op. 14/1 zum Streichquartett forderte, fehlt also fast gänzlich). Jede eigenmächtige Veränderung in dieser Hinsicht hätte sicherlich entsprechende Klagen Beethovens hervorgerufen. Es sind daher nur geringfügige Eingriffe in die Substanz des Notentextes zu beobachten, wie in der Perspektive Bearbeitungsmaßnahmen deutlich wird (hier sind die nicht in die Bearbeitung übernommenen Noten in der Septettversion rot eingefärbt, Veränderungen in der Zielversion grün) – Oktavversetzungen und Weglassen von Einzelstimmen sind die mit Abstand am häufigsten zu beobachtenden Phänomene. Motive modifizierende Eingriffe – wie im Folgenden an einigen Beispielen beschrieben – bleiben dagegen die Ausnahme.

VI. Satz, T. 53–58, Perspektive: Bearbeitungsmaßnahmen

In dem hier abgebildeten Beispiel der T. 53–58 des letzten Satzes hat Hoffmeister die rhythmische Unregelmäßigkeit am Ende von T. 54 mit der danach aus großer Höhe abspringenden Violinstimme verändert, indem er durchgängig die Triolen beibehielt (vgl. auch Parallelstelle T. 177f.). Um die Wirkung dieses bei Beethoven durch die kleine rhythmische Veränderung hervorgehobenen Sprungs nicht zu schwächen, lässt Hoffmeister in seiner Übertragung die nach oben oktavierende Klarinettenstimme T. 55–57 weg (der Verzicht auf die den Klang nach unten erweiterte Verdoppelung im Kontrabass ist dagegen ein durchgängig zu beobachtendes Charakteristikum seiner Bearbeitung). Auch die Begleitfiguren zum anschließend übernommenen Dialog von Viola und Cello in T. 57f. sind verändert – hier weist ein Blick in den Einzelnotenvergleich, in dem an jeder Stelle geprüft wird, welche Parameter (Tonhöhe, Tondauer, Oktavlage) an syntaktisch gleicher Position verändert wurden, auf die Art des Eingriffs hin: rote Noten weichen lediglich durch Oktavierung ab, hellblaue nur durch ihren Rhythmus, dunkelblaue durch beides. Nur bei den pink eingefärbten Noten handelt es sich um eine (Tonhöhe und Tondauer zugleich betreffende) wirkliche Differenz.

VI. Satz, T. 57f., Perspektive: Einzelnotenvergleich

Die Farbgebung verdeutlicht somit, dass der im Septett durch Viertelpausen getrennte V-I-Schritt (fb) des Kontrabasses im Quintett oktaviert als direkter Viertelvorhalt in Viola 2 verlegt wurde. Damit korrespondiert ein an derselben Position neu eingefügter Viertelvorhalt c2b1 in Violine 2. Dagegen wurde das rein rhythmische Motiv des Horns (wie in Beethovens Trioversion) komplett eliminiert.

III. Satz, T. 29–31, Perspektive: Bearbeitungsmaßnahmen

Zu den Ausnahmen gehört auch ein idiomatisch bedingter Eingriff zu Beginn des Trios von Satz III: Hier hat Hoffmeister das Horn-spezifische Solo in T. 30 (ebenso T. 43) zu einer für die Bratsche adäquateren Figur verändert.[5] Vergleichbar wandelt er am Ende der langsamen Einleitung des I. Satzes die aus der Klarinette in die Violine 2 übernommene Figur ab – außerdem wird aus dem anschließenden Sprung über zweieinhalb Oktaven nun ein Septsprung:

I. Satz, T. 11–19, Perspektive: Bearbeitungsmaßnahmen

Auch wenn sich hier weitere vereinfachende Eingriffe in der Viola zeigen, wird deutlich, dass außer dem Wegfall der Oktavierung durch den Kontrabass nicht in die Substanz eingegriffen wurde. Der im Original stattfindende Wechsel in der Begleitung der Solovioline (T. 12ff. Bläser und Streicher, T. 15ff. nur Streicher) ließ sich in der Quintettversion verständlicherweise kaum abbilden und ist an dieser Stelle als bloßer Farbwechsel eher nebensächlich. Dagegen stellt im Septett insgesamt der sehr häufige Wechsel der Klanggruppen ein strukturelles Merkmal dar, aus dem für den Arrangeur des Quintetts ein grundlegendes Problem resultiert, wenn etwas diesem kompositorischen Prinzip Beethovens Entsprechendes nachgeahmt werden soll. Beethoven hatte in seiner Trio-Bearbeitung den Vorzug einer Besetzung mit Instrumenten sehr ungleichen Klangcharakters – in der eher monochromen Streicherbesetzung erfordert die notwendige Differenzierung der Klanggruppen eigene Maßnahmen. Hoffmeister hat dieses Problem auf eine sehr eigene Weise gelöst, indem er einerseits die beiden Violinen häufig als alternierende Oberstimmen einsetzte, andererseits teils ungewöhnliche Klangfarben bzw. Lagen der Instrumente für die Übertragung einiger thematischer Gestalten wählte.

I. Satz, T. 55–60, Perspektive: Bearbeitungsmaßnahmen

Wo es möglich war, beließ er dabei Instrumente in ihrer ursprünglichen Position und Funktion. Im hier sichtbaren Ausschnitt aus Satz I (T. 55–60) blieb Violine 1 unverändert, während der Einsatz des Seitensatz-Motivs in der Klarinette, zu der Fagott und Horn begleitend hinzutreten, nun in Violine 2 verlegt wurde. Durch das Versetzen der in Halben begleitenden Stimmen in Viola 2 (als oktavierende Übernahme der Hornstimme) und Violoncello (als Ersatz der nur die Taktschwerpunkte betonenden Viertel) versuchte Hoffmeister offensichtlich hier (wie an vielen anderen Stellen) die klangliche Differenzierung nachzuahmen.

I. Satz, T. 67–72, Perspektive: Bearbeitungsmaßnahmen

Völlig anders verfährt er in T. 67ff., wo er den solistischen Klarinetteneinsatz nach der (harmonisch aufgefüllten) B-Dur-Kadenz nun oktaviert ins Cello verlegt und so einen vergleichbaren Farbwechsel erzielt. Kombiniert wird dies mit der das Cello des Septetts vertretenden Viola 2 in tiefer Lage (also als Bass-Stimme), während der Fagotteinsatz in T. 71 nun nach oben oktaviert in der 2. Violine erscheint (sie übernimmt dann in T. 73ff. vom Cello wieder die Stimme der Klarinette, die im Wechselspiel mit der unveränderten Violine 1 bleibt).
In T. 128ff. werden die thematischen Stimmen von Klarinette und Fagott (in Oktaven) in die beiden Bratschen (ebenfalls in Oktaven) versetzt – der Klangwechsel wird durch das Verlegen der begleitenden Achtelbewegung der Violine 1 ins zweite Instrument unterstützt (gleichzeitig ist das Cello in der tieferen Oktave übernommen; die Fortsetzung in Klarinette und Fagott wandert anschließend in Violine 2 und Viola 1):

I. Satz, T. 127–132, Perspektive: Bearbeitungsmaßnahmen

In T. 182ff. ist der Wechsel der Gruppen durch die Gegenüberstellung des Motivs in parallelen Sexten in Violine 2 und Viola 1 mit dem einstimmigen Motiv in Violine 1 nachvollzogen, ohne dass weitere Änderungen notwendig wurden:

I. Satz, T. 182–187, Perspektive: Bearbeitungsmaßnahmen

Bemerkenswert ist allerdings die Veränderung der vorangehenden Takte: Hoffmeister verzichtet auf die das crescendo verstärkenden Achtelrepetitionen in Violine und Viola, erzielt aber eine vergleichbare Spannungssteigerung durch die Synkopen in Violine 1 (die dem liegenden Ton der Klarinette entsprechen) und die ebenfalls neu eingeführte abschließende Umspielungsfigur.

II. Satz, T. 65–70, Perspektive: Bearbeitungsmaßnahmen

Eine überraschende Instrumentierung findet sich bei dem exponierten Hornthema des II. Satzes in T. 68ff.: Hoffmeister übernimmt dieses Thema tongetreu ins Violoncello, wo er mit der damit gegebenen exponierten Lage des Instruments eine vergleichbare Klangwirkung erzielt. (Dass er dabei in T. 69f. die Stimme der Violine 1 ändert, um den Vorhalt ges zu betonen und zusätzlich durch eine gegenüber dem Cello verzögerte Auflösung hervorzuheben, erscheint eigenwillig und könnte auch auf einem Stichfehler beruhen.)

II. Satz, T. 73–77, Perspektive: Einzelnotenvergleich

Wie sehr für Hoffmeister dieser Wechsel der Klanggruppen im Mittelpunkt seiner Bemühungen stand, zeigt sich auch an Kleinigkeiten, wie etwa dem Übergang vom Horn- zum Klarinettensolo im II. Satz von T. 73 zu 77: Hier ist die durchgängige Tonrepetition in der Violastimme des Septetts zu einem Wechsel zwischen hoher und tiefer Oktave verändert (dem die Lagenwechsel in Violine 2, Viola 1 und Violoncello korrespondieren), wobei die Vorhaltsmotive zwischen Violine 1 und 2 wechseln, so dass eine räumliche Wirkung erzeugt wird, die so sogar einen stärkeren Wechsel suggeriert als er im Original vorliegt.

Ein Blick auf die Einfärbung der Sunburst-Navigation (hier am Beispiel des I. Satzes in Beethovens eigener und in Hoffmeisters Bearbeitung) zeigt, dass trotz nur sehr eingeschränkter Veränderung der motivisch-melodischen Substanz (die Differenzfarbe pink kommt praktisch nicht vor) dennoch das Ausmaß der Veränderungen durch rhythmische oder Oktavierungsunterschiede erheblich ist (in Satz II gibt es ganze Bereiche, in denen Hoffmeister diesbezüglich stärker eingreift als Beethoven). Zugleich ist an einigen der vorstehenden Beispielen zu erkennen, dass manche, nicht die Tonhöhen tangierende Versetzungen in andere Instrumente durch die im Projekt Beethovens Werkstatt realisierten Perspektiven nicht sofort deutlich werden, so dass die Einfärbungen auch Übereinstimmungen vortäuschen, wo diese nicht (bzw. nur streng bezogen auf die Tonhöhe) vorliegen. Auch bei Hoffmeisters Edition kann man also feststellen, dass es sich keinesfalls um eine mechanische Übersetzung für ein anderes Ensemble handelt, sondern eine intensive Auseinandersetzung mit der Originalversion unterstellt werden kann (ohne dass Maßnahmen zu einer gattungsspezifischen Aufwertung wie in Beethovens Trioversion zu beobachten sind). Beethoven hat sich im Übrigen nicht über Hoffmeisters Bearbeitung als solche beklagt, sondern nur über die Tatsache der Veröffentlichung unter seinem Namen. Die verschiedenen, in der VideAppArr bereitgestellten Perspektiven stellen Werkzeuge für eine detailliertere Untersuchung der Bearbeitung zur Verfügung – die vorstehenden Bemerkungen wollen lediglich auf einige Grundzüge dieser Bearbeitung hinweisen, die an manchen Stellen eigene Schwerpunkte setzt, die sich nicht immer streng auf die Vorlage beziehen.

Hinweise zur Codierung

Die Codierung der Quintettversion basiert auf dem Erstdruck der Stimmen, der 1802 von Hoffmeister und Kühnel in Leipzig und Wien veröffentlicht wurde (benutztes Exemplar: D-BNba, C20/39). Dabei wurde der Text dieser Ausgabe mit allen Fehlern übernommen (die im Einzelnotenvergleich mit der Vorlage durch die farbliche Markierung oft einfach aufzufinden sind). Da es um die Vergleichsfunktionen und nicht um eine kritische Edition der Bearbeitung ging, sind auch sonstige Defizite und Unregelmäßigkeiten (z. B. bei Dynamikangaben, Bogensetzung und Artikulation) nicht beseitigt bzw. keine entsprechenden Herausgeber-Ergänzungen oder Angleichungen abweichender Notierungsweisen vorgenommen worden. Fehler der Originalausgabe, die den primären Notentext (Tonhöhen, Tondauern, Schlüssel usw.) betreffen, sind im Folgenden benannt.

Folgende Fehler des primären Notentextes finden sich in der Originalausgabe (sie scheinen in den zu Lebzeiten erschienenen Titelauflagen nicht behoben zu sein):

Verwendete Literatur


Anmerkungen

[1] Brief vom 22. April 1801, BGA 60.

[2] Zit. Beer, Beethoven und das Leipziger Bureau de Musique, S. 347.

[3] Allgemeine musikalische Zeitung, 5 (1802/03), Intelligenzblatt Nr. IV, November 1802, Sp. 15.

[4] Beer, Beethoven und das Leipziger Bureau de Musique, S. 348, weist darauf hin, dass Hoffmeister offensichtlich nur kurzzeitig verärgert reagierte und sich weiterhin um Werke Beethovens bemühte. Zu den weiteren Auflagen vgl. die Quellenliste. In einem Druckbuch des Verlags Peters (Sächsisches Staatsarchiv, Bestand 21070 C. F. Peters, Leipzig, Nr. 5157) sind unter den beiden PN 110 und 111 noch die Nummern 2657 und 2781 aufgelistet, wobei unklar bleibt, ob diese sich auf weitere spätere Auflagen beziehen (diese Nummern sind eigentlich für andere Werke vergeben). In dem Plattenbuch sind zahlreiche Auflagen zwischen 20 und 50 Exemplaren im Zeitraum 1832 bis 1860 aufgelistet, 1861 folgte dann eine neue Ausgabe, offensichtlich in Partitur.

[5] Ein ähnlicher Eingriff ist in Satz I in den T. 269–271 zu beobachten: Hier wird die auf- und absteigende Dreiklangsbrechungsfigur des Horns, die mit einer kontinuierlich aufwärtssteigenden Akkordbrechung der Klarinette alterniert, bei der Versetzung in die Bratsche an das Klarinettenmotiv angeglichen. – Bei einigen Veränderungen bleibt fraglich, ob sie wirklich beabsichtigt sind oder auf Fehler im Druckprozess zurückgehen: Wenn etwa in Satz II in T. 11 der Viola 1 nicht die Figur des Vortakts wiederholt wird, sondern das zweite und dritte Achtel abweichen, erschließt sich dieser Eingriff nicht, wogegen die Einfügung einer Terzbewegung der Viola 2 zum Violoncello im selben Takt musikalisch durchaus sinnvoll erscheint.