Transkription (Methoden)

Die methodisch gelenkte Überführung eines Textes von seiner gegebenen Schriftgestalt in eine andere Schriftgestalt bezeichnet man als Transkription (lat. transcriptio: Umschrift). Der Terminus bezieht sich aber nicht nur auf eine philologische Methode, sondern auch auf ein aus dieser Methode resultierendes Produkt, das gelegentlich auch als Transkript bezeichnet wird.
Zwischen dem transkribierten und dem zu transkribierenden Text besteht nicht immer eine strikte Zeichenkorrespondenz im Sinne einer Transliteration (zeichengetreue Umschrift). Vielmehr handelt es sich um eine Übertragung, die den Textsinn zu bewahren bzw. überhaupt erst freizulegen bemüht ist. Während sich die paläographisch motivierte Transkription eher an einer Transliteration orientiert, um den Zeichenbestand eines historisch entlegenen Notats zu bewahren, wird die Skizzenforschung wie auch die genetische Textkritik von der Absicht geleitet, ein mehr oder weniger hermetisches und deshalb schwer entzifferbares handschriftliches Notat, in dem sich unter Umständen verschiedene Textschichten überlagern, hinsichtlich seiner Sinnebenen zu interpretieren.
Die Bedeutung, bzw. die Vielfalt an Bedeutungen eines handschriftlich abgefassten Notentextes teilt sich nicht nur mittels konventioneller Zeichen (Notenzeichen, Buchstaben, Zahlen usw.) mit. Gewisse skripturale Elemente (z. B. Tilgungs-, Einfügungs- und Verweiszeichen u. ä.) beziehen sich als explizite Metatexte auf den komponierten Text und zeigen zugleich Schreiboperationen an. Weitere skripturale Merkmale einer handschriftlichen Aufzeichnung (Skriptur), wie z. B. der Schreibduktus, der wechselnde Gebrauch von Schreibmitteln, die Nutzung des Schreibraums, usw. erzeugen ihrerseits eine eigene Bedeutungsebene, die als impliziter Metatext gelesen und interpretiert werden kann.
Während kompositorische Produkte mittels konventioneller Zeichen fixiert werden, lassen sich aus den skripturalen Eigenheiten, in denen diese Produkte eingekleidet sind, kompositorische Prozesse, die Genese eines Notats, ableiten. Jede Transkription eines Notats hat sich der Frage zu stellen, wie die verschiedenen Bedeutungsebenen editorisch wiedergegeben werden sollen. In der seit Mitte des 19. Jahrhunderts betriebenen musikalischen Skizzenforschung gibt es weder standardisierte Transkriptionsmethoden, noch besteht Einigkeit über die Vermittlungseigenschaften von Umschriften.
Die jeweils gewählte Transkriptionsmethode hängt von der editorischen Zielsetzung einer Transkription ab:

(A) Diplomatische Transkription
Zeichen- und topographisch getreue Umschrift ohne editorische Ergänzungen, die sich der Deutung von Textbefunden zu enthalten versucht.

(B) Cleartext-Transkription
Umschrift als störungsfreier Notentext, der eine Textgestalt wiedergibt, die für Beethoven zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner kompositorischen Arbeit gültig war bzw. nach deren Abschluss gültig geblieben ist. Dabei ist das Adjektiv „clear“ im doppelten Sinn zu verstehen: Der Text wird in einer „klaren“, eindeutigen und Konventionen folgenden Notation wiedergegeben, die Metatexte der Vorlage werden nicht transkribiert. Zum anderen „klärt“ der Cleartext einen textlichen Befund.

(C) Annotierte Transkription
Sie folgt den Prinzipien der diplomatischen Umschrift, versieht diese aber an Ort und Stelle mit editorischen Erläuterungen. Die heterogene Mischung von Zeichen eines Notats (z. B. Verbaltext, Notenzeichen, Zahlen etc.) und deren Topographie bleibt möglichst getreu erhalten und auch die zum Leseverständnis nötigen expliziten Metatexte werden wiedergegeben. Gleichzeitig werden alle zum Verständnis notwendigen, klärenden Zusätze des Editors in die Umschrift ad locum eingeschaltet.

BRA, SC
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